Gekonnt wehrt Captain America einen Schlag von Superman ab. Doch im Kampfgetümmel konnte sich Catwoman anschleichen und bohrt ihre Klauen in seinen Rücken. Wehklagend geht der Held zu Boden, nur damit Batman ihm ins Genick springen kann. Knack!
Schon scheint des Captains Leben verloren, da erhebt sich im Geheul der Marvelstars schallend eine Stimme, die nach Zucht und Ordnung ruft. Amaury Beaufort ist ins Wohnzimmer eingetreten. Mit einem Lächeln auf den Lippen streckt er uns die Hand zum Gruss hin und gemeinsam beobachten wir den Kindergeburtstag weiter. Doch sobald Amaury das Wort «Degustation» in den Mund nimmt, ist uns das Schicksal der Comichelden herzlich egal.
Amaurys Champagnerkeller befindet sich unter seinem Wohnhaus. Beim Hinunterschreiten klopfen wir an einen imposanten Stahltank. Das hohle Geräusch quittiert Amaury mit der Bemerkung: «C’est de la décoration.» Ein Überbleibsel des Familienbetriebs. Amaury baut die Grundweine für seine Champagner in Holzfässern und Emailtanks aus. Dort fühle sich der Wein wohler als im nackten Stahl. Doch längst nicht alles, was Amaury von seiner Familie erhalten hat, schmäht er. Besonders auf sein nur 0,88 Hektar grosses Kleinod von Weinberg ist er mächtig stolz. Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat diese Parzelle keinen Tropfen Chemie gesehen. Die Beauforts haben schon biologisch gearbeitet, als es Bio in der Champagne noch gar nicht gab. Doch bevor wir die Reben besichtigen, kommen wir zu dem, was Amaury uns im Wohnzimmer versprochen hat.
Wir beginnen mit dem Chardonnay 2020, einem Stillwein. Er ist knochentrocken mit einem Zitrusaroma für die Götter. Weiter geht es mit dem Chardonnay extrait 2020. Die gleichen Trauben, dasselbe Jahr, aber dieses Mal mit skin contact. Amaury liess die Traubenschalen fünf Tage im Saft mazerieren, anstatt sie gleich nach der Pressung zu entfernen. Ob das in der überregulierten Champagne erlaubt sei, wollen die pflichtbewussten Schweizer wissen. «Na klar!», ertönt es schlitzohrig zurück. Jedenfalls wären die fünf Tage jeden Regulationsverstoss wert. In unserem Glas befindet sich ein komplexer Wein burgundischen Zuschnitts, der uns an eine kalte tisane denken lässt. Wieder stellen wir eine Frage. Dieses Mal wollen wir wissen, wie viele Flaschen erhältlich sind.
Die zwei Champagner, die nun an der Reihe sind, schmecken wie nichts, was wir sonst aus der Champagne kennen. Ein süchtig machender Duft nach Alpenkräutern kombiniert mit unendlicher Frische und Eleganz. Nur nebenbei erwähnt Amaury, dass er vom weissen Le Jardinot jährlich 1000 Flaschen direkt ans Noma in Kopenhagen liefere. Und wir stellen wieder eine Frage.
Zum Schluss fahren wir in die Weinberge. Auf dem Weg macht Amaury abrupt Halt vor einem Château, durch dessen Park die Seine fliesst. Das offene Tor sei verdächtig, manchmal kämen Fotojäger. Seit es 1981 gebrannt habe, sei es verlassen. «Vor einigen Jahren habe ich mit der Renovation begonnen – nur mit Hilfe meines Bruders.» Irgendwoher muss der Nachwuchs die Superkräfte ja herhaben.