Wie ein Schmetterling flattert Elise an unserem Degustationstermin durch ihren mit etwa zwanzig 350-Liter-Fässern bestückten Weinkeller in Les Mesneux unweit von Reims. Immer wieder fliegt sie ein Fass an, aus dem wir als nächstes verkosten sollen, nur um im letzten Moment doch noch auf einem anderen zu landen, das besser in die Degustationsreihenfolge passt.
Hat sich Elise für ein Fass entschieden, hält sie die gläserne Degustationspipette in die Fassöffnung und füllt sie. Mit jedem neuen Mal, mit dem sie die Pipette aus dem Fass zieht, recken wir ihr unsere Gläser mit etwas ausgestreckteren Armen entgegen, auf dass sie mit konzentriertem Blick einige Zentiliter Wein in unsere Gläser entlässt. Was in der Pipette verbleibt, giesst sie unter unseren wehmütigen Blicken zurück in die Fässer.
Beschreibt Elise den Glasinhalt, beginnt es in ihren gerade noch konzentrierten Augen zu flackern und zu leuchten, ganz besonders beim Fass, aus dem sie den Ne Pas Faire Sans Blanc (derzeit nicht erhältlich, siehe aber den Oser le Rosé) geschöpft hat. Dies sei ein weisser Stillwein aus der Champagne, ein Coteaux-Champenois blanc, erzählt sie uns freudig, während sich unsere Gaumen an die Komplexität dieses Weins herantasten. Gewonnen wird der Ne Pas Faire Sans Blanc ausschliesslich aus Chardonnay millerandé, kleine Chardonnayweinbeeren ohne Kerne von intensivem Geschmack und hoher Reife. Andere werfen diese Trauben weg. Elise macht daraus einen Wein, der die Beerenintensität mit der unnachahmbaren Mineralik der von ihr biodynamisch bewirtschafteten Böden der Champagne vermählt. Würden wir öfter von dieser Spezialität trinken, flatterten wir vielleicht auch wie die Schmetterlinge umher.
Apropos Böden: Die bekannteste Lage des Bougyschen Weinguts ist Les Chétillons (um genau zu sein: Le Chétillon de Haut), nur einen Schmetterlingsflügelschlag weg vom Heiligtum der Champagne, dem Clos du Mesnil.
Der Degustation des Ne Pas Faire Sans Blanc vorausgegangen ist die Verköstigung eines guten halben Dutzends vins clairs, der Weinvorstufe zum Champagner, auch Grundweine genannt. Doch welch ein Skandal: Die Champagner, die aus den Grundweinen entstanden sind, dürfen wir nicht probieren – keinen einzigen! Das liegt zum Glück nicht an Elises Bosheit, sondern daran, dass am Vortag unserer Probe der Verkorker da war und alle Flaschen mitgenommen hat. Bestellt haben wir von den Champagnern trotzdem so viele wie möglich, und zwar ohne zu zögern an Ort und Stelle. Wenige Tage später sind wir froh, dieses Wagnis eingegangen zu sein: Wir erfahren, dass nun die ganze Chargé der insgesamt 4 000 Flaschen ausverkauft ist. Beeindruckend für eine Winzerin, die ihren allerersten Jahrgang auf den Markt bringt.
Zum Schluss kredenzt uns Elise eine Surprise: einen Coteaux-Champenois rouge mit dem Namen Les Culottées (derzeit nicht erhältlich, siehe aber den Oser le Rosé), was ziemlich unübersetzbar ist. Einen Hinweis auf die Bedeutung liefert das Etikett, auf dem an einer Wäscheleine hängende culottes, Damenhöschen, flattern. Damit wären wir zum Schluss wieder am Anfang unseres Berichts angekommen, auch wenn sich die Art des Flatterns etwas verändert hat.