Clément Robert empfängt uns mit einem Lächeln, das wir als freundlich, aber nicht als herzlich bezeichnen würden. Das Bonjour, das Clément aus seinem Mund drückt, ist höflich, aber nicht jovial. Ganz im Gegenteil die Sonne, die uns an diesem frühen Sonntagmorgen im Juni in Landreville begrüsst: Sie scheint überschwänglich und heiss. Der Gegensatz zwischen Sonne und Winzer beruht auf der Nacht, die letzterer verbracht hat. Scheinbar waren die Champagner seiner neuen Domaine Léon so gut, dass es ihm unmöglich war, vor vier Uhr in der Früh ins Bett zu gehen. Erfreut vom Gedanken, bald selbst solchen Genüssen zu frönen, nehmen wir in Cléments Land Rover Platz und starten unsere Tour durch sein Weingut in der Côte des Bar.
Ohne Worte zu wechseln, fahren wir einen steilen Weinberg hinauf. In Cléments vollverspiegelter blaumetallisierter Sonnenbrille können wir die an uns vorbeiziehenden Reben beobachten. Nach einigen Minuten Fahrt halten wir bei La Grande Côte, einer von drei Parzellen, die Clément bestellt. In den Reben stehend bleibt Clément schweigsam. Um das Gespräch in Gang zu bringen, fragen wir, was das für eine Pflanze sei, die die kleinen weissen Blüten trage und zahlreich zwischen den Traubenstöcken wachse. Clément greift eine der Pflanzen am Stil und reisst sie aus. Er führt die rötliche Wurzel zu seinem Mund, wischt die sandige Erde mit der anderen Hand weg und beisst unter einem Knacken zu. «Une carotte.» Unsere Anschlussfrage, ob Clément biologisch arbeite, hat sich erübrigt.
Wir studieren bereits am nächsten Gesprächseisbrecher herum, als Clément das Wort ergreift. Der Vater habe ihn bei der Umstellung auf biologische Produktion unterstützt. «Von meinem biodynamischen Ansatz», fährt Clément, der in drei Jahren das Demeter-Label führen dürfen wird, weiter, «konnte ich ihn aber noch nicht voll überzeugen».
Zur Mittagszeit besuchen wir im Nachbardorf Essoyes, der Wirkungsstätte Renoirs, das neu eröffnete Restaurant Union, dessen Mitinhaber Clément ist. Die gerade besichtigte Lage steht nun auf dem Tisch. Ein Chardonnay von staubtrockener Kreidigkeit zugleich und buttrigem Schmelz. Unser Gespräch bleibt einsilbig. Zum La Grande Côte verliert Clément kein Wort. Das muss er auch nicht. Dieser blanc de blancs, von dem es jährlich nur etwas mehr als tausend Flaschen gibt, spricht für sich selbst. Wäre das nur häufiger so, wünschen wir uns, und geniessen andachtsvoll.
Andächtig ist die Stimmung auch, als wir Cléments Presshaus betreten. Dort steht eine Weinpresse aus dem Jahr 1912, ausser Betrieb seit 1943. Nach aufwendiger Restauration hofft Clément, sie diesen Herbst wieder in Betrieb nehmen zu können.* Ob es in der Champagne andere derart alte Pressen gebe, die noch in Betrieb seien, wollen wir von Clément wissen. «Non», sagt er und zieht zum ersten Mal an diesem Tag seine Sonnenbrille aus und lacht. Noch mehr lachen aber wir – ob des Glücks, mit diesem Ausnahmewinzer zusammenarbeiten zu dürfen.
*: Das Unterfangen ist geglückt.