Champagne Jestin

Winzer: Hervé Jestin (1957)

Technische Daten des Weinguts

Rahmengenähte Lederschuhe sind nicht das, was man als normales Schuhwerk eines Winzers bezeichnet. Genauso wenig trifft die Bezeichnung normal auf Hervé Jestin zu. Dass Hervé bei unserem ersten Treffen mit besagten Schuhen um die Füsse geschnallt erscheint, ist deshalb nur normal.

Zu den Lederschuhen trägt Hervé eine Hose aus feinem Cord, dazu ein Hemd, das gekonnt mit einem Bügeleisen behandelt wurde, ein Werkzeug, das ebenfalls nicht zur Standardausstattung eines Winzers gehört.

So distinguiert sich Hervé kleidet, so gewählt drückt er sich in Worten aus, wie wir anlässlich unseres Besuchs erfahren werden. Und wer jetzt denkt, Hervé wäre unnahbar, vielleicht sogar abgehoben, der täuscht sich gewaltig. Noch bevor wir Hervés Hände geschüttelt haben, fühlen wir uns wohl und willkommen. Es ist schwierig, sich dem sanften Charme des eleganten 58-jährigen zu entziehen.

Hervés Aussergewöhnlichkeit zeigt sich auch in seinem Lebenslauf: Vor knapp 40 Jahren, im Alter von 24, wird Hervé direkt nach seinem Abschluss in Önologie als chef de cave von Duval-Leroy berufen, eine Maison die jährlich mehrere Millionen Flaschen produziert. 1990 entdeckt Hervé als einer der ersten in der Champagne die Biodynamie für sich, was Anfang 2000er dazu führt, dass er eine Karriere als selbständiger Weinberater startet. Winzerinnen und Winzer in der Champagne und der ganzen Welt vertrauen fortan auf Hervés Rat, wenn es darum geht, ihre Weingüter auf biodynamische und bioenergetische Produktion umzustellen. Seit einigen Jahren steht Hervé zudem wieder einer Maison, derjenigen von Leclerc-Briant, als chef de cave vor. In unser Programm aufgenommen haben wir aber die beiden Champagner, die Hervé mit Unterstützung seines Bruders Yann persönlich keltert: den Jestin und den Clos de Cumières.

Für den Jestin verwendet Hervé Trauben dreier berühmt gewordener Biodynamikschüler von ihm: David Léclapart, Georges Laval und Benoît Lahaye. Die Trauben für den Clos de Cumières bauen Hervé und Yann in der gleichnamigen Parzelle an, die nur 0,5 Hektar gross und eine Monopollage ist. Von den vielen biodynamischen Besonderheiten, die die Brüder bei der Bewirtschaftung des Clos de Cumières zur Anwendung bringen, gefällt uns besonders der Einsatz von Schafen zum Grasschnitt, zur Schädlingsbekämpfung und Düngung. Weil die Schafe aber die gleich grossen Schleckmäuler sind wie wir, dürfen sie den Clos nur bis zum Beginn der Traubenblüte bewohnen.

Das Hauptcharakteristikum sowohl des Jestin als auch des Clos de Cumières ist ihre verblüffende Ausbalanciertheit. Selten haben wir solch harmonische Champagner getrunken. «Ein Grund für die Ausgeglichenheit», erklärt uns Hervé, «ist die Lagerung der Grundweine in eiförmigen Tonfässern». Das Ellipsoid sei die perfekte Form zum Ausbau von Wein. Fast beiläufig erwähnt Hervé, dass er auch ein Metallfass einsetzt, das auf der Innenseite mit Gold ausgeschlagen ist.

Verpackt werden Hervés Champagner übrigens in Holzkisten. Das ist ungewöhnlich, kommen doch die allermeisten Champagner im Kartonkleid daher. Doch was könnte man vom rahmengenähte Lederschuhe tragenden Hervé anderes erwarten.

Champagne Jestin

  • Gegründet:2006
  • Inhaber:Hervé Jestin
  • Kellermeister:Hervé Jestin
  • Standort cuverie:Cumières
  • Art des Betriebs:Négociant-Manipulant (Zukauf von Trauben für den Jestin; eigene Trauben für den Clos de Cumières)
  • Region:Vallée de la Marne / Montagne de Reims
  • Standorte Reben:Clos de Cumières (ohne Reben für den Jestin)
  • Anbaufläche:0,5 Hektar
  • Rebsorten:Pinot noir, Chardonnay
  • Alter der Reben:50 Jahre und älter
  • Produktionsart:Biologisch und biodynamisch (bioenergetisch)
  • Zertifiziert:Ecocert
  • Produktionsmenge:8 000 Flaschen