Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, in welcher Position ein Ei liegt, wenn die Henne es ausbrütet? Wir auch nicht, aber Alexis Leconte schon: «Das Ei liegt auf der Seite.» Alexis bringt uns diese so verblüffende wie banale Einsicht näher, weil sich in seinem Keller ein Fass in Ei-Form befindet und wie die richtigen Eier in der Seitenlage ruht. Die Herstellung des Fass-Eies dauerte fünf Jahre und kostete einen kleinen Sportwagen. Der Fasshubraum beträgt übrigens 1618 Liter und leitet sich von der Zahl Phi – 1,618 – ab, die das Längenverhältnis des Goldenen Schnitts beschreibt.
Dass Alexis überhaupt zum eierbrütenden Winzer wurde, hat damit zu tun, dass er von der Weisheit der Natur überzeugt ist. Wenn die Natur die Ei-Form wählt, um damit einem Küken ins Leben zu verhelfen, muss diese Form auch geeignet sein, einem Wein Leben einzuhauchen. Nachdem wir vom Fassinhalt degustieren durften, sind auch wir Anhänger dieser Philosophie.
Dass auch die Champagnerflaschenform sehr belebend wirken kann, zeigt sich gleich anschliessend, als uns Alexis von seinem La Terre Mère zu versuchen gibt: typische Meunierfleischigkeit gepaart mit viel Frische und einem Schuss Mineralien. Wir freuen uns schon auf all die Champagner mit den faszinierend Namen Totem, Arietis, Aria und Ageius. Doch bevor es mit den Degustationen weitergeht, will uns Alexis seine Reben zeigen. Also setzen wir uns in seinen Lieferwagen und fahren los.
Aus den Autolautsprechern tönt Come Together der Beatles. Doch wir kommen nicht zusammen, sondern es entwickelt sich ein lebhafter Streit darüber, ob nun die Stones oder die Beatles besser sind. Ohne eine Einigung erzielt zu haben, sind wir auf der Spitze von Alexis’ biologisch bestelltem Weinberg in Troissy im Vallée de la Marne angekommen. Die atemberaubende, endlose Aussicht erreicht, was der Song nicht konnte, und wir versöhnen sofort.
Nach wenigen Schritten in den Reben greift Alexis in die Erde und hält grün-gräuliches Gestein in seinen Händen. Hier gebe es ein grosses Vorkommen von grünem Ton, der besonders reichhaltig an Nährstoffen sei. «Das ist einzigartig in der Champagne.»
Ebenfalls einzigartig ist, dass auf Alexis’ Weingut alle sieben in der Champagne zugelassenen Rebsorten wachsen. Neben Pinot noir, Chardonnay und Meunier, der den Löwenanteil von Alexis’ Bestockungen ausmacht, sind das Pinot blanc, Pinot gris, Arbane und Petit Meslier. Alexis keltert einen Champagner, der alle sieben Sorten vermählt, aber leider erst in einigen Jahren auf den Markt kommt.
Als wir wieder im Lieferwagen sitzen, reinigt Alexis seine Finger mit einem Tuch von den letzten Rückständen des hartnäckig klebenden grünen Tons. In der Kosmetikindustrie werde grüner Ton zur Anmischung von Gesichtsmasken verwendet. «Ich vertraue lieber auf die Schönheitskraft meines Champagners», sagt Alexis grinsend und lässt den Motor an. Dieses Mal tönt Punkrock aus den Lautsprechern: The Offspring mit All I want. Klar, an was wir dabei denken.