Worin unterscheiden sich ein Direktor eines erstklassigen Hotels und ein Winzer? In nichts, sofern der Winzer Florent Douge heisst. Und so begrüsst uns Florent mit sichtbarer Freude am Empfang von Gästen und mit der selbstbewussten Höflichkeit, zu der nur die Bürger einstiger absolutistischer Monarchien fähig sind, als wir auf seinem Betrieb ankommen. Am deutlichsten stechen die Hoteldirektorenqualitäten Florents allerdings in der Fähigkeit zur Erfüllung unausgesprochener Wünsche hervor. Eine der ersten Fragen, die uns Florent stellt, lautet nämlich so: «Voulez-vous déguster du champagne?» Mit der uns eigenen Aufrichtigkeit verzichten wir darauf, dieses Angebot aus gespielter Höflichkeit abzulehnen.
Dass uns Florent heute seine Champagner zur Verköstigung anbieten kann, ist auf seine Beharrlichkeit und seinen Mut zurückzuführen. Denn wie schon sein Vater und sein Grossvater hat Florent vor 25 Jahren seine Champagnerkarriere als Traubenbauer begonnen. Er bestellte die Rebberge der Familie, um die Trauben an die bekannten Champagnermarken zu verkaufen. Doch die mit Leidenschaft und stets wachsender Sachkenntnis angebauten Trauben einfach wegzugeben, befriedigte Florent immer weniger. Schliesslich entschied er sich vor sechs Jahren, die grosse Investition zu wagen, und gründete die eigene, mittlerweile biozertifizierte Champagnerkellerei, was uns zurück zu Florents Fähigkeit zur Erfüllung unausgesprochener Wünsche bringt.
Der erste Champagner, den uns Florent vorstellt, ist der XII, der Duodécim. Genau wie ihr Winzer verfügt auch der XII über Hoteldirektorenqualitäten. Grundsolide und mit einem für eine Basiscuvée enorm langen Hefelager von fast fünf Jahren weiss der XII Gäste aus aller Herren Länder zufriedenzustellen. Die dezente Salzigkeit macht ihn unverwechselbar zu einem Champagner, die Frische weisser Pfirsiche und der Duft geschälter Mandeln hebt ihn von der Masse ab.
Weiter geht es mit einem Roséchampagner, dem Rose Margot. Dieser schreibt sich ohne den accent aigu (der Strich über dem E), weil er nach einer Rose (der Blume) benannt ist, die Florents Grossmutter gezüchtet hat. Wie schon der XII überzeugt auch der aus 100 % Pinot noir gekelterte Rose Margot durch solide, unaufgeregte Qualität, und – natürlich – einen Hauch Rosenduft.
Szenenwechsel. Nach kurzer Autofahrt erreichen wir Florents Wohnhaus. Dort erwarten uns lokale Spezialitäten vom besten Traiteur der Region, etwa eine Tarte aus Kuttelwurst und selbstgebackene gougères, Teig-Käse-Windbeutel. Spätestens als uns Florent dazu von seinem Val Baury kredenzt, ein weiterer Rosé, wissen wir, dass er nicht nur Hoteldirektor kann, sondern auch Rockstar. In unseren Gläsern dröhnt es nach verbrannter Erde, Ochsenherztomaten, gerösteten Haselnüssen und Sauerkirschen. Wow. Zum Dessert wird es mit dem (leider bereits ausverkauften) Faillet oder der perfekten Vermählung von Säure, Kalk und Grip wieder distinguierter.
Für den Tee hat Florent schon eine Verabredung. Er fährt zurück zum Hof, um zwei Kilo selbstangebauter Brennesseln aufzukochen. Den so gewonnenen Aufguss serviert er seinen Reben mittels Zerstäuber. Auch sie sollen sich wie im 5-Sterne-Hotel fühlen.