Flaschengrössen
Alexandre Lamblot streichelt eine Methusalem seines Intuitions. Es wird noch viele Jahre dauern, bis sie einen Kunden glücklich machen darf. Dann aber wird das Glück ein Königreich wert sein.
Manche Flaschen versuchen den Umstand, dass sie Flaschen sind, mit grossspurigem Verhalten zu kaschieren. Was bei Menschen meistens kläglich scheitert, gelingt den richtigen Flaschen mit Bravour. Sie glauben uns nicht? Vergleichen Sie den gleichen Champagner aus einer 0,75-Liter-Flasche mit demjenigen aus einer 1,5-Liter-Flasche und Sie werden uns glauben. Mag der Champagner aus der normalen Flasche noch so gut sein: Aus der Magnum schmeckt er einfach besser, konzentrierter und mehr auf den Punkt gebracht.
Für das Flaschenparadox gibt es Versuche rationaler Erklärungen, doch restlos überzeugt uns keine. Zwar ist es nachvollziehbar, dass in einer grösseren Flasche der Inhalt weniger schnell oxidiert als in einer kleineren, wenn beide den gleichen Flaschenhalsdurchmesser aufweisen – denn dann ist in der grösseren Flasche das Verhältnis zwischen Flüssigkeit und Sauerstoff günstiger als in der kleineren.
Wir glauben aber eher, dass Champagner eine Seele hat, und zwar eine ziemlich einfach gestrickte. Füllt man ihn in eine grössere Flasche, ist er schlicht zufriedener und hat bessere Laune als sein Kollege, der mit dem Bedienstetenzimmer vornehmen muss.
Marie Doyard von Champagne André Jacquart stöbert in ihrer Schatzkammer eine reife Jéroboam Vertus Expérience auf.
Kommt dazu, dass je grösser die Flasche ist, desto grandioser der Name wird, mit dem sich der Champagner schmücken darf. Heisst eine 0,75-Liter-Flasche bescheiden Standard, darf sich die nächstgrössere 1,5-Liter-Flasche bekanntlich Magnum nennen und von Brusthaar und einem roten Ferrari 308 GTB träumen (wobei wir anmerken müssen, dass ein weisser 308 GT4 noch traumhafter ist). So richtig schwelt des Champagners Brust aber vor Stolz an, wenn er eine 3-Liter-Flasche sein Heim nennen darf. Die heisst nämlich wie ein biblischer König: Jéroboam Ier (auf Deutsch Jerobeam). Dieser machte unter anderem von sich reden, weil er überall in seinem Reich goldene Kälber aufstellen liess. Doch wen interessieren schon die zehn Gebote, wenn 3 000 Jahre später eine Champagnerflasche nach einem benannt wird.
Auch die noch grösseren Flaschen sind nach biblischen oder babylonischen Königen benannt: Réhoboam (4,5 l), Methusalem (6 l), Salmanazar (9 l), Balthazar (12 l), Nebukadnezar (15 l), Melchior (18 l) und Melchisedech (30 l). Zu präzisieren ist aber, dass es sich bei diesen Flaschengrössen ausnahmslos um Hochstapler handelt. Der Champagner kommt nämlich erst in diese Flaschen, nachdem er in kleineren Flaschen sein >Hefelager durchlaufen hat. Oder anders ausgedrückt: Um etwa einen Champagner im Methusalem-Format zu erhalten, leert man den Inhalt von acht Standard- oder vier Magnum-Flaschen ins Grossformat (Fachbegriff: transvasage). Das geht mit einem signifikanten Verlust von Kohlensäure und einer Hyperoxidation einher. Goldenen Kälbern zu huldigen, ist daher allemal sinnvoller, als Elefanten-Flaschen anzubeten. •
Encyclopédie
Glossar wichtiger Champagner-Begriffe
Einführung:
Wichtige Begriffe von A bis Z:
Appellation d’Origine Contrôlée Champagne
Assemblage
Ausbau
Biologisch und biodynamisch
Blanc de blancs/Blanc de noirs
Coteaux champenois
Degorgieren
Dosage
Druck
Flaschengrössen
Gärung, erste
Gärung, zweite
Gärung, malolaktische
Gläser
Grundweine
Haute Valeur Environnementale
Hefelager
Jahrgangschampagner
Klassifikationen (Grand Cru / Premier Cru / Autre Cru)
Korken
Lagerung
Lese
Maison de Champagne (Markenchampagner)
Muselet
Non-millésimé / Non-vintage
Parcellaire
Pressung
Ratafia de Champagne
Rebschnitt
Remuage (Rütteln)
Réserve pérpétuelle
Rosé
Sabrieren
Schwefel
Tirage
Traubensorten
Trinktemperatur
Winzerchampagner